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logo 44 • das CAMLOG Partner-Magazin • Juni 2019 logo 44 • das CAMLOG Partner-Magazin • Juni 2019 10 11 Dr. Laurenz Maresch, Lannach / Österreich EIN INTERDISZIPLINÄRES KONZEPT ZUR KOMPLEXEN REHABILITATION – SCHAFFE ICH DAS AUCH IN DER KASSENPRAXIS? Abb. 1: Die Panoramaschichtaufnahme zur radiologischen Evaluierung bestätigt die insuffiziente Versorgung der beiden Kiefer. Die Therapie komplexer Behandlungsfälle stellt für jeden Zahnarzt eine große Herausforderung dar und besteht heutzutage sehr oft aus der Zusammenarbeit mehrerer Kollegen, die mit ihrer entsprechenden Fach- kompetenz zur Lösung einer umfassenden dentalen Gesamtrehabilitation beitragen. In Österreich werden jedoch 70 % der Ordinationen von Einzelpersonen geführt, was die interdisziplinäre Arbeit vor allem für Kassenpraxen in ländlichen Gegenden mit weiten Fahrtstrecken zu Spezialzentren oft sehr erschwert. Der dokumentierte Patientenfall zeigt ein Konzept, wie es selbst zahnärztliche Einzelkämpfer schaffen können, knifflige Aufgabenstellungen kieferorthopädisch, chirurgisch-implantologisch und prothetisch-restaurativ einfach und erfolgreich zu behandeln. Ein ordinationsinterner Therapieansatz erfüllte nur sieben Monate nach Behandlungsbeginn die Erwartungshaltung des Patienten. Vorgeschichte Der Alltag in einer kassenärztlichen Praxis ist geprägt von enormer Arbeitsintensität, großer Flexibilität im Umgang mit Perso- nal und Patienten, Anstrengungen bei der Einhaltung von Terminvorgaben, hohem bürokratischen Aufwand sowie schnellen Veränderungen durch medizinische und technische Innovationen. Viele Zahnärztin- nen und Zahnärzte fühlen sich durch den täglichen Leistungsdruck oft überfordert. Das Aneignen von aktuellem Wissen und neuen Fähigkeiten fällt besonders schwer. Auch altbewährte Gepflogenheiten zu verändern ist meist nur bedingt möglich. Einfach umzusetzende Therapiekonzepte scheinen hier für viele Zahnärzte der be- vorzugte Lösungsweg zu sein. Wie auch im Falle jenes 43-jährigen Geschäftsführers einer Softwarefirma, welcher aufgrund äs- thetischer Probleme an seinen Zähnen die Ordination aufsuchte, um sich eine dritte Meinung einzuholen. Einerseits störten ihn Zahnlücken im Oberkiefer, andererseits die stark verfärbten Kunststofffüllungen so- wie die Fehlstellung des Eckzahnes im 4. Quadranten. Als Bedingung seitens des Patienten wurde eine möglichst kurze Be- handlungsdauer angegeben. „Er möchte alles saniert haben, aber sein Beruf erlaube keine langen Zeitfenster.“ Ausgangssituation Nach einer ausführlichen Befundaufnahme wurde der Patient im Sinne des shared deci- sion-making Konzeptes über die Komplexi- tät dieses Behandlungsfalles aufgeklärt. [1] Als Erst- bzw. Zweitoption wurde ihm ande- renorts ein abnehmbarer Zahnersatz sowie auch die Anfertigung von mehrstelligen Brücken im Ober- und Unterkiefer angebo- ten. Von Implantaten wurde ihm aufgrund des zu geringen Knochenangebotes abge- raten. Der vorhersagbare Behandlungser- folg durch Einsatz von Implantaten und ei- ner kieferorthopädischen Apparatur sowie die damit verbundene Schonung intakter Eigenzähne war für ihn ausschlaggebend, die länger dauernde und kostenintensivere Therapievariante auf sich zu nehmen. [2] Zur Beurteilung der knöchernen Situation in den vorgesehenen Implantatpositionen 14, 24, 36, 46 und 47 wurde ein digitales, zweidimensionales Orthopantomogramm (Dental OP200 D, Fa. Instrumentarium) an- gefertigt (Abb. 1) . Die klinisch-visuelle Di- agnose ergab einen schmalen Kieferkamm der Region 14 mit offensichtlichem Verlust der bukkalen Knochenlamelle. Die anderen Implantatregionen zeigten einen breiten krestalen Knochen mit gut keratinisierter Gingiva. Kieferorthopädisch lag eine Angle- Klasse 1 vor (Abb. 2) . Stark verfärbte Kunst- stofffüllungen im Unterkiefer, keilförmige Defekte an Zahnhälsen sowie entzündliche parodontale Regionen komplementierten die Erstdiagnose (Abb. 3 und 4) . Prätherapeutische Behandlungsphase Nach der Erstellung eines detaillierten The- rapieplanes erhielt der Patient bereits nach einer Woche eine initiale Parodontalthera- pie. Es erfolgte ein Recall nach 14 Tagen, um die Einhaltung der Mundhygieneinstruktio- nen sowie die bestehende Bereitschaft zur umfassenden Rehabilitation zu kontrollie- ren. Nach den Abformungen für Situations- modelle, einer Gesichtsbogenübertragung und der Erstellung eines Bißregistrats (O- Bite, Fa. DMG) zur digitalen Darstellung der Zahnstellung konnte mit der ersten Behand- lungsphase begonnen werden (Abb. 5) . Kieferorthopädische Phase Zur Korrektur der Zähne 41 (protrudiert), 42 (retrudiert) + 43 (protrudiert) ent- schlossen wir uns zum Einsatz einer Tief- ziehschiene (DURAN 1.0 x 125 mm, Fa. SCHEUCH Dental). Eine Sonderform dieser hartelastischen, transparenten Platte stellt die Aligner-Schiene (Abb. 6) dar. Die ther- moplastischen Eigenschaften des Materi- als ermöglichen durch Rillen und Noppen (=Aktivierungspunkte) kleinere Stellungs- korrekturen. Initial wurden die Unterkiefer Frontzähne von 31 bis 43 gestrippt, um genügend Platz für die Zahnbewegung zu schaffen. Mit der sequentiellen Erstel- lung dieser Kunststoffschienen erhält der Behandler in Absprache mit dem Techni- ker die Möglichkeit, auf einfache Art und Weise eine Apparatur zur kieferorthopädi- schen Behandlung anzufertigen und ent- sprechend den klinischen Anforderungen anzupassen [3]. Eine Fotodokumentation der Gipsmodelle verdeutlichte die Zahnbe- wegungen bei der Ausformung der Zähne 31 bis 43 (Abb. 7 und 8) . Bereits nach dem Ende der Tragezeit der vierten Alig- ner-Schiene und einer gesamten Behand- lungsdauer von nur 15 Wochen konnte ein ideales Aligning und eine Nivellierung der Unterkieferfrontzähne erreicht werden (Abb. 9 bis 11) . Bis zum Beginn der restau- Abb. 4: die Ausgangssituation von linkslateral, acht Jahre nach dem letzten Zahnarztbesuch des 43-jährigen Patienten. Abb. 5: Gescannte Version der ursprünglichen Zahnstellung mit Illustration des Crowdings von 41 bis 43. Abb. 7: Die urspüngliche Situation des Unter- kiefers. Abb. 9: Überlagerung der Ausgangs- und Endsituation. Die Bewegung der Zähne zur Ausnivellierung der Unterkieferfrontzähne ist deutlich erkennbar. Abb. 8: Die klinische Situation der ausnivellierten Unterkiefer- frontzähne 12 Wochen nach Behandlungsbeginn. PRAXISFALL PRAXISFALL Abb. 2: Die Ausgangslage der im geschilderten Fall speziell betrachteten Region 14 mit schmaler krestaler Basis sowie gut keratinisierter Gingiva. Abb. 3: Klinische Ausgangssituation der weichge- webigen und dentalen Situation mit Darstellung der Okklusion, von rechtslateral. Abb. 6: Die Aligner-Schiene, eine Sonderform der hartelastischen, transparenten Platte zur Korrek- tur kleiner Zahnfehlstellungen. Abb. 11: Das ideale Aligning und Nivellierung der Unterkieferfront in Okklusion. Abb. 10: Nach dem Ende der Tragezeit der vier- ten Aligner-Schiene zeigt sich die harmonische klinische Unterkiefersitation.

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